Burnout – Erkennen und Behandeln

von Sigrid Patzak
verfasst 2012 für eine Broschüre der Evangelischen Landesstiftung zum Thema „Burnout“- Umgang von Vorgesetzten mit burnoutgefährdeten MitarbeiterInnen

Was ist Burnout?

Wahrscheinlich gab es „ausgebrannte“ Zustände von Menschen nach einer Phase hoher Anstrengung schon immer. Matthias Burisch weist auf die sog. „Elias-Müdigkeit“ hin: In der Geschichte des Propheten Elias im Alten Testament wird sein Zustand tiefer Verzweiflung und Müdigkeit beschrieben, in den er verfällt nachdem er eine Reihe von Wunder und Siegen vollbrachte, dann jedoch vor einer möglichen Niederlage steht (vgl. S.4).

Der Begriff Burnout wird seit den 70-er Jahren des verg. Jahrhunderts anfangs v.a. zur Beschreibung von Zuständen psychischen und physischen Abbaus von Menschen in sozialen und medizinischen Berufen nach anfänglich großem Engagement verwendet (vgl. S.6).

Heute beschreibt „Burnout“ einen Zustand von Erschöpfung, der häufig mit Antriebslosigkeit, verringertem Selbstwertgefühl, Unruhe, Schlafstörungen, Gereiztheit, Ängsten, Konzentrationsstörungen, Depersonalisierung (Zynismus) und einem Leistungsabfall begleitet wird. Oft sind auch körperliche Symptome vorhanden wie Magen-Darm-Beschwerden, Ohrgeräusche, Herzrhythmusstörungen, muskuläre Verspannungen, multiple Schmerzen,

Schwindel oder erhöhte Infektanfälligkeit für die keine organische Ursache gefunden wird.

Viele dieser Symptome finden sich auch bei einer Depression.

Nicht jede Erschöpfung ist ein Burnout:
In Zeiten starker Beanspruchung im Arbeitsleben kann es auch kurzzeitig zu einer Erschöpfung kommen. Wenn diese jedoch nach einem langen, entspannenden Wochenende oder einem 2-3 wöchigen Urlaub und dem Zurückgreifen auf in der Vergangenheit erfolgreiche Regenerationsmöglichkeiten weiter bestehen bleibt, ist die Gefahr eines Burnout gegeben. Die Diagnostik sollte dann von einer Fachärztin oder Facharzt für Psychosomatische Medizin oder Psychiatrie durchgeführt werden.

In der Internationalen Krankheitsklassifikation (ICD) ist Burnout  nicht  als eigenständiges Krankheitsbild aufgeführt und kann daher nur als diagnostische Zusatzinformation dokumentiert werden. Hauptdiagnosen sind meist Depression, Angststörung oder Erschöpfungszustand.

Woran können Sie Burnout bzw. eine Burnoutgefährdung bei Ihren MitarbeiterInnen erkennen?

Typischerweise kann Burnout hochmotivierte MitarbeiterInnen treffen, die durch ihre ausgeprägte Leistungsorientierung und teilweise perfektionistischen Ansprüche an sich selbst durch die Dauer der Überlastung oder Zuspitzung durch eine Veränderung am Arbeitsplatz die Fähigkeit zur Regeneration verlieren. Aber auch durch chronische Unterforderung verbunden mit mangelnden Erfolgserlebnissen bei der Arbeit  kann ein Erschöpfungszustand hervorgerufen werden.

Nach außen wahrnehmbar ist i.d.R. eine emotionale Veränderung der/s MitarbeiterIn in Form von sozialem Rückzug, Gereiztheit, Empathieverlust, Leistungsminderung, Entwicklung einer zynischen Haltung,  häufige Krankmeldungen.

Die Phasen des Ausbrennens sind in drei Abstufungen unterteilbar:

1.Phase: emotionale Erschöpfung –  Betroffene fühlen sich ausgelaugt und frustriert und verlieren die Fähigkeit zur Regeneration.

2.Phase: Depersonalisation –  Betroffene sind gereizt und zunehmend gefühllos den KlientInnen und KollegInnen gegenüber, werden zynisch und ziehen sich von Kontakten zurück. Mglw. besteht eine Suchtgefährdung, indem mithilfe von vermehrtem Essen, Alkohol, Medikamenten o.a. versucht wird, diesen unangenehmen Zustand zu „bessern“.

3.Phase: Leistungseinschränkung – Betroffene verlieren ihr Selbstvertrauen, fühlen sich zunehmend inkompetent, ihre Leistung wird i.d.R. auch offensichtlich schlechter, mglw. wiederholte oder längere Krankschreibungen bis hin zur (inneren oder tatsächlichen) Kündigung
(vgl. Ruhwandl, S. 28).

Je früher versucht wird einer Burnoutentwicklung gegenzusteuern, umso leichter ist dies auch möglich.

Faktoren, die eine Burnoutentwicklung begünstigen können

In helfenden Berufen stehen Menschen nicht allein unter dem Druck der Erwartungen von Vorgesetzten bzw. Arbeitgebern, sondern häufig v.a. unter dem Druck, der durch die Not bzw. Bedürfnisse von KlientInnen geweckt wird. Teilweise ist der Anspruch, durch die eigene Tätigkeit positive Veränderungen beim Klientel bewirken zu wollen, sehr hoch.  Gründe einen helfenden Beruf zu wählen sind häufig u.a. der Wunsch, Einfluss auf andere zu nehmen, Selbstverwirklichung zu finden und die Welt zu verbessern (vgl. Burisch, S.10). Wenn dieses Ziel nicht erreicht wird, kann es zu einer Steigerung des Engagements führen, ohne darüber zu reflektieren, wodurch eine Veränderung vielleicht verhindert wird.

Dazu kommt als burnout-gefährdender Faktor häufig vor allem bei Frauen, dass Grenzen setzen und Nein-Sagen als egoistisch erlebt wird, Angst vor Ablehnung auslöst und dadurch eine große Hemmschwelle besteht, gut für sich selbst zu sorgen und andere mglw. zu enttäuschen.

Nicht selten wirken die christlichen Werte der Nächstenliebe und des sozialen Engagements im Inneren wie ein Verbot, die eigene Befindlichkeit und Leistungsgrenzen wahr- und ernstzunehmen,  Aufopferung wird idealisiert. Teilweise leugnen Betroffene, dass auch sie, wie alle Menschen, aktiv etwas für die Erhaltung der Balance zwischen Leistung und Erholung tun müssen.

Außerdem gibt es manchmal bes. in diesen Arbeitsfeldern eine (un-)ausgesprochene Erwartung, über die eigentlichen Arbeitszeiten hinaus zur Verfügung zu stehen. Grenzen zu setzen, wird mit Unverständnis oder sogar Ablehnung quittiert.

SelbstHilfe zu brauchen, kann für Menschen in helfenden Berufen besonders schwierig sein, da es das Selbstbild der Betroffenen in Frage stellt.

Die am häufigsten genannten Stressoren am Arbeitsplatz sind:

(vgl. D.Ruhwandl, S.41)

Allgemeine protektive Faktoren gegen Burnout:

Fallbeispiel: Frau N., eine 30-jährige Erzieherin, arbeitet seit etwa 5 Jahren in einer Tagesstätte für 75 Kinder, die in 3 Gruppen aufgeteilt sind. Sie liebt den Gruppendienst, vor allem bietet sie mit Begeisterung kreative Angebote für Kinder an, bei denen diese mit Farbe und anderen Mitteln sich ausdrücken können. In den ersten beiden Jahren in dieser Einrichtung brachte sie viele Ideen in die Neugestaltung des Gruppenraumes ein und legte, gemeinsam mit dem Schreiner und einer Kollegin auch selbst mit Hand an bei der Ausführung. Diese Arbeit geschah teilweise in ihrer Freizeit, machte ihr jedoch großen Spaß, da sie auch eigene Vorstellungen umsetzen konnte.

Nach drei Jahren erkrankte ihre Gruppenleiterin auf unbestimmte Zeit. Da alle von ihrer Kompetenz und ihrem Engagement beeindruckt waren, wurde sie gefragt , vorübergehend einige Leitungsfunktionen zu übernehmen. Diese Herausforderung war für sie reizvoll, so dass sie zusagte, ohne jedoch mit dem Bereichsleiter zu vereinbaren, welche ihrer regulären Tätigkeiten sie dafür abgeben könne. Sie machte in den folgenden Monaten viele Überstunden, auch um sich in die neuen Aufgabenbereiche einarbeiten zu können und gleichzeitig ihre eigentlichen Aufgaben, genauso wie bisher, zu bewältigen. An der Arbeit mit den Kindern wollte sie keinesfalls Abstriche machen. Aufgrund der personellen Unterbesetzung in der Tagesstätte gab es häufiger kritische Nachfragen von Eltern, wann die Leiterin wieder gesund sei und ob die Kinder wirklich ausreichend betreut seien, wenn eine wichtige Mitarbeiterin fehlt.

Später berichtete Fr. N., dass sie bereits in dieser Zeit manchmal abends nach Hause kam und dann erst bemerkte, dass sie vergessen hatte, Essen für sich einzukaufen. Auch begann sie sich wesentlich seltener mit Freunden zu verabreden. „Die Vertretung ist ja nur für eine gewisse Zeit geplant“, so dachte sie und tröstete sich damit, dass das Mehr an Anstrengung in einigen Monaten wieder vorbei sei. Sie erlebte dann eine Phase, in der sie ihre Freizeit fast vollständig zur körperlichen Regenerierung benötigte, eine aktive Gestaltung der Freizeit gelang ihr kaum mehr. Eine weitere Belastungssteigerung erlebte sie, als ihr zugetragen wurde, dass ein Kollege gegen sie intrigiere und ihre Leitungskompetenz hinter ihrem Rücken in Frage stellte. Sie fühlte sich im Team zunehmend verunsichert und ausgegrenzt und litt an der Distanz, die durch die Übernahme von Leitungsaufgaben, zu ihren KollegInnen entstanden war. Wenige Monate später wurde ein Kind ihrer Gruppe wegen Verdachts auf Misshandlung vom Jugendamt aus der Familie genommen. Fr. N. war geschockt, fühlte sich schuldig und inkompetent, da sie die Not des Kindes nicht bemerkt hatte. Sie begann jede Nacht nach wenigen Stunden Schlaf aufzuwachen, ihre Gedanken kreisten dann um dieses Kind und Situationen, in denen sie vielleicht etwas hätte bemerken können. Morgends war sie gerädert, fühlte sich immer erschöpfter, angespannt und gereizt, konnte auch an Wochenenden nicht mehr abschalten. Aufgrund einer guten Beziehung zu ihrem Hausarzt, gelang es der Erzieherin mit ihm über ihre Arbeitssituation, ihre Schlafprobleme und ihre Erschöpfung zu sprechen. Er überwies sie zu einem ambulanten prästationären Vorgespräch für eine mögliche Burnoutbehandlung in unsere Klinik und für Informationen über weitere Hilfsmöglichkeiten. 

Was können Sie als LeiterIn tun?

Präventiv

Wenn schon Anzeichen für ein Burnout vorhanden sind:

Behandlung bspw. in folgender Klinik: An der Klinik für Psychosomatische Medizin und psychologische Beratung des Klinikums Nürnberg besteht ein 4-6 wöchiges tagesklinisches oder stationäres Behandlungsprogramm speziell für Menschen mit Burnout. Informationen über die Homepage des Klinikums (www.klinikum-nuernberg.de) oder telefonisch unter 0911-398-7390. Nach Einweisung durch den Hausarzt wird zunächst ein ambulantes prästationäres Gespräch vereinbart, bei dem die weitere Behandlung festgelegt wird.

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Literatur